Fallstudie: Modenstruktur von Multimode-Fasern
Behandelte Fragen:
- Sind die Intensitätsprofile der Moden alle stark auf den Faserkern begrenzt?
- Was passiert für Moden, die nahe an ihrem Cut-off liegen?
- Haben Moden höherer Ordnung größere effektive Modenflächen?
Hier untersuchen wir diverse interessante Eigenschaften der geführten Moden von mehrmodigen Fasern. Indem man diese genau inspiziert, kann man einiges über die Physik der Faseroptik lernen.
Für diese Fallstudie verwenden wir zunächst die Power Form “Mode Properties of a Fiber”.
Analyse einer Stufenindexfaser
Wir betrachten eine Stufenindexfaser mit einem Kerndurchmesser von 20 μm und einer numerischen Apertur von 0,2, die bei der Wellenlänge 1060 nm eingesetzt werden soll.
Anfangs legen wir direkt das Brechungsindexprofil fest, indem wir die Variante “single step” verwenden, die für das Stufenindexprofil die einfachste Lösung bietet. Dafür brauchen wir nur wenige Parameter: den Durchmesser des Faserkerns, den Brechungsindex des Fasermantels und die numerische Apertur. Nach Ausführung der Rechnungen finden wir diverse berechnete Werte im gleichen Formular (siehe die Felder mit grauem Hintergrund):
Die Faser hat 21 verschiedene geführte Moden, oder 38, wenn wir verschiedene Orientierungen separat zählen. (Alle LP-Moden mit <$l \neq 0$> gibt es mit zwei verschiedenen Orientierungen.) Die Tabelle zeigt die essenziellen Eigenschaften aller Moden: <$\beta$> = Propagationskonstante, <$n_{\rm eff}$> = effektiver Brechungsindex, <$A_{\rm eff}$> = effektive Modenfläche, <$P_{\rm core}$> = Anteil der optischen Leistung, die im Faserkern propagiert.
Beachten Sie, dass wir hier keine Größen im Zusammenhang mit der chromatischen Dispersion erhalten, auch nicht die Gruppenindizes und Cut-off-Wellenlängen. Dafür würden wir die Wellenlängenabhängigkeit der Brechungsindizes brauchen. Für Germanosilikatfasern haben wir eine andere Power Form, wo wir das Brechungsindexprofil indirekt über die GeO2-Konzentration definieren, was uns die Wellenlängenabhängigkeit gibt und damit auch die Möglichkeit der Berechnung der Dispersion.
Häufig sind die radialen Modenfunktionen von Interesse:
Einen noch besserem Überblick erhält man mit einem Diagramm für die Amplitudenprofile der Moden:
Hier können Sie ganz einfach beispielsweise das Profil der LP33-Mode finden: D Achsen des Diagramms zeigen die Indizes der Moden.
Für kürzere Wellenlängen würden wir mehr geführte Moden erhalten. Für eine genügend große V-Zahl, die invers proportional zur Wellenlänge steigt, ist die Anzahl der Moden ungefähr <$V^2 / 2$>, wenn wir beide Polarisationsrichtungen getrennt zählen. Siehe den Artikel über mehrmonatige Fasern für weitere Details.
Effektive Modenflächen
Es wird oft angenommen, dass Moden höherer Ordnungen wesentlich größere effektive Modenflächen haben, weil sie radial weiter ausgreifen. Interessanterweise bestätigen unsere Berechnungen dies für unseren ziemlich gewöhnlichen Testfall nicht. Die Fläche der LP01 (176,5 μm2) ist sogar etwas größer als die aller anderen Moden mit Ausnahme nur der LP14 (343,2 μm2). Beispielsweise hat die LP42 nur 153,6 μm2. Inspizieren wir die Modenprofile:
Man kann sehen, dass die LP01-Mode einen wesentlichen Teil der Kernfläche abdeckt, während die LP33-Mode räumlich stärker konzentriert ist.
Zum Vergleich betrachten wir die LP14-Mode, die tatsächlich eine wesentlich größere Modenfläche hat und auch viel weiter in den Fasermantel hineinreicht, weil sie nahe in ihrem Cut-off liegt:
Es gibt andere Fälle, in denen Mode höherer Ordnung wirklich größere Flächen haben, aber hier ist dies offensichtlich nicht der Fall.
Beobachtungen zu den effektiven Brechungsindizes der Moden
Für jede Mode zeigt das Formular ihren effektiven Brechungsindex an. Dieser hängt direkt zusammen mit der Propagationskonstanten (Phasenkonstanten), die in der vorherigen Spalte angezeigt wird: Wir haben
$$\beta = n_{\rm eff} \frac{2\pi}{\lambda},$$was analog ist zu
$$k = n \frac{2\pi}{\lambda}$$für ebene Wellen. Wir können auch die effektiven Indizes aller Moden zusammen mit dem Brechungsindexprofil anzeigen:
Eine andere übersichtliche Art der Darstellung ist ein Farbdiagramm:
Die fundamentale Mode (LP01) hat den höchsten effektiven Index, der nahe am Brechungsindex des Kerns liegt. Die höheren Moden haben tiefere Werte, die zum Teil nahe dem Index des Fasermantels liegen.
Man könnte meinen, dass der effektive Brechungsindex für höhere Moden reduziert ist, weil diese einen größeren Teil ihrer optischen Leistung im Fasermantel haben; dahinter steckt die Vorstellung, dass der effektive Index eine Art gewichteter Mittelwert der Brechungsindizes ist. Dies stimmt allerdings nicht. Die meisten der Moden habe ihre Leistung fast vollständig innerhalb des Faserkerns:
Um das zu verstehen, müssen wir nochmals die vorherige Gleichung ansehen. Sie zeigt uns, dass der effektive Brechungsindex mit der Phasenkonstanten verknüpft ist, d. h. mit der Phasenänderung pro Längeneinheit. Die reduzierten Werte für Moden höherer Ordnung zeigen an, dass diese Moden geringere Phasenänderungen bei der Propagation haben. Dies mag auch wieder überraschend sein, da man Moden höherer Ordnung oft mit geometrischen Strahlen assoziiert, die mit wesentlichem Winkel gegenüber der Faserachse propagieren. Sollten diese wegen ihrer größeren Weglänge nicht größere Phasenänderungen haben? Die Antwort ist nein: Was hier zählt, ist die Phasenänderungen in <$z$>-Richtung, und diese wird kleiner, wenn der <$k$>-Vektor etwas gedreht wird, was eine reduzierte <$k_z$>-Komponente verursacht. Beachten Sie allerdings, dass der Zusammenhang zwischen Strahlen (einem Konzept der geometrischen Optik) und Moden (einem Konzept der Wellenoptik) ein komplizierter ist.
Sind die Intensitätsprofile der Moden auf den Faserkern beschränkt?
Man mag sich fragen, ob die Intensitätsprofile aller Moden mehr oder weniger im Faserkern konzentriert sind. Dafür können wir einfach die letzte Spalte der Tabelle im Formular inspizieren. Während die meisten Moden über 90 % der Leistung im Kern haben, gibt es zwei Ausreißer: LP33 mit 75,9 % und LP14 mit 47,0 %. Es stellt sicher heraus, dass diese einen effektiven Index sehr nahe am Index des Mantels haben (hier: 1,45). Wir vermuten nun, dass diese schon nahe an Ihrem cut-off liegen. In der Tat müssen wir die Wellenlänge nur um 6 nm auf 1066 nm erhöhen, bis die LP14 verschwindet, während LP33 erst bei 1082 nm nicht mehr existiert.
Zurück bei 1060 nm inspizieren wir die LP14-Mode und sehen, dass ihre Intensität in der Tat weit über den Faserkern hinausreicht:
Interessant ist, hier auch das Fernfeld anzusehen:
Im Gegensatz zu den anderen Moden ist hier ein großer Teil der Leistung auf das zentrale Gebiet konzentriert, abgesehen von zwei schwachen Ringen bei größeren Radien. Man mag eine größere Divergenz für eine solche Mode hoher Ordnung erwartet haben, aber die schmale Struktur im Fernfeld hängt mit der starken räumlichen Ausdehnung dieser Mode zusammen. Zum Vergleich können wir das Fernfeldprofil der LP33-Mode betrachten, die nicht so nahe an ihrem Cut-off liegt und nicht so weit in den Fasermantel hineinragt:
Wir haben also gesehen, dass die meisten Moden nicht weit über den Faserkern hinausragen; dies ist nur für sehr wenige Moden der Fall, die nahe an ihrem Cut-off liegen. Für eine beliebige Wahl der Wellenlänge ist es allerdings nicht unwahrscheinlich, wenigstens eine oder ein paar Moden dieser Art zu haben, da die Anzahl der Moden sich bei vielen verschiedenen Wellenlängen ändert:
Super-Gauß-Profil
Nun prüfen wir, wie sich die Modenstruktur ändern, wenn die Kante des Indexprofils etwas geglättet wird – etwa als Folge von Diffusion während der Herstellung der Faser-Vorform. Hierfür wählen wir ein Super-Gauß-Profil, das wir eingeben können, nachdem wir die Option “expression” für den Typ der Definition des Indexprofils wählen. Wir müssen ebenfalls den Kerndurchmesser geringfügig auf 21 μm erhöhen, da die Software diesen Wert als den Radius definiert, jenseits dessen sich der Brechungsindex gar nicht mehr ändert. Hier haben wir ja eine gewisse Variation über den Radius von 10 μm hinaus.
Wir prüfen nun das resultierende Profil und die effektiven Brechungsindizes der Moden:
Durch Vergleich dieses Diagramm mit demselben für das Stufenindexprofil (hier nicht gezeigt) sieht man, dass alle Modenindizes etwas reduziert wird, außer dass die beiden obersten ((LP01 und LP11) kaum verändert sind. Die Zahl der geführten Moden sinkt geringfügig auf 20, oder 36 mit Zählung der Orientierungen.
Natürlich könnte man dies auch mit anderen mathematischen Ausdrücken für die Glättung des Indexprofils untersuchen. Wir könnten auch ein paar Zeilen Skriptcode in das Formular eingeben, um das Indexprofil aus einer Datei beliebigen Formats zu laden.
Indexprofil mit einer Delle
Der nächste Testfall ist ein Indexprofil mit einer Delle im Zentrum. Dies kommt eigentlich eher bei einmodigen Fasern vor, aber wir versuchen es hier trotzdem. Wir verwenden den Ausdruck 1.453823 - 0.008 * gauss(r / (1 um))
und erhalten das Folgende:
Wir bekommen dieselbe Zahl geführter Moden wie für das Super-Gauß-Profil, aber deutliche Änderungen, insbesondere für die Moden niedrigster Ordnung. Beispielsweise hat die LP01 eine Modenfläche von 209,2 μm2, während sie für das Stufenindexprofil nur 176,5 μm2 hatte.
Berechnung von wellenlängenabhängigen Größen und von chromatischer Dispersion
Nun wollen wir auch wellenlängenabhängige Größen sowie die chromatische Dispersion berechnen. Mit dem bisherigen Ansatz, direkt die Brechungsindexwerte einzugeben, funktioniert dies nicht: wir brauchen wellenlängenabhängige Brechungsindexwerte! Aber diese in einem Formular einzugeben, wäre ziemlich unpraktisch.
Für die oft verwendeten Germanosilikatfasern haben wir eine praktische Lösung: Wir geben das GeO2-Dotierungsprofil ein, aus dem dann das Brechungsindexprofil berechnet werden kann. Dies mithilfe der bekannten Sellmeier-Daten von Quarzglas (AiO2) und Germania (GeO2), und mit einer Formel, die uns zwischen diesen entsprechend der GeO2-Konzentration zu interpolieren erlaubt. Da dies für beliebige Wellenlängen funktioniert, haben wir auch die nötigen Daten für die Berechnung der chromatischen Dispersion.
Es gibt hier noch ein kleines Problem: Sellmeier-Gleichungen liefern oft ziemlich falsche Resultate außerhalb des vorgesehenen Wellenlängenbereichs, insbesondere auch bei langen Wellenlängen, und dies kann vor allem bei der Berechnung von Cut-off-Wellenlängen stören. Eine einfache Lösung ist es, das Wellenlängen-Argument der Indexfunktionen beispielsweise auf einen Maximalwert von 3 μm zu begrenzen, um das merkwürdige Verhalten bei längeren Wellenlängen zu unterdrücken. Es macht nichts aus, dass die Werte bei langen Wellenlängen so immer noch nicht realistisch sind, da wir hier ohnehin im stark absorbierten Spektralbereich liegen. Lediglich sollten wir eben die erhaltenen teils recht großen Werte der Cut-off-Wellenlängen nicht allzu ernst nehmen.
Dieser Ansatz wurde implementiert mit der Power Form “Modes of a Germanosilicate Fiber”, die wir im Folgenden verwenden. Wir gehen zurück zum Stufenindexprofil. Für eine gegebene GeO2-Konzentration im Kern zeigt das Formular unter anderem die numerische Apertur an. Wir finden leicht heraus, dass wir 9,2 % Dotierungskonzentration benötigen, um die gewollte NA von 0,2 zu erhalten. Hier sind die Resultate:
Wir könnten nun auch jede andere Wellenlänge eingeben und die Moden dafür berechnet erhalten, jeweils mit dem dafür berechneten Brechungsindex. Außerdem können wir nun auch Diagramme für wellenlängenabhängige Größen wie z. B. die effektive Modenfläche erstellen:
Die neue Tabelle der Modenparameter im Formular enthält nun drei weitere Größen, die nur mit den wellenlängenabhängigen Brechungsindizes berechnet werden können:
- der Gruppenindex
n_g
- die Gruppengeschwindigkeitsdispersion (GVD)
- die Cut-off-Wellenlänge (nicht für die LP01-Mode, die keinen Cut-off hat)
Wir betrachten nun die effektiven Indizes und die Gruppenindizes als Funktion der Wellenlänge:
Wir haben bereits gesehen, dass der effektive Brechungsindex mit der Phasenänderung während der Propagation zusammenhängt, und dass er für Moden höherer Ordnung normalerweise kleiner wird. Dieses Diagramm zeigt ebenfalls die Gruppenindizes für Ebene Wellen im Kern- und Mantelmaterial als gestrichelte Kurven.
Für die Gruppenindizes ist die Abhängigkeit vom Modenindex ganz anders: Hier bekommen wir häufig höhere Werte für die Moden höherer Ordnung, was anzeigt, dass Lichtpulse in diesem Moden mit geringerer Geschwindigkeit propagieren. Jedoch zeigen einige Moden einen fallenden Gruppenindex in der Nähe ihrer Cut-off-Wellenlänge. Dieser Effekt wird stärker für Moden mit hohem m
-Index.
Fazit
Die Software RP Fiber Power ist ein prima Tool für solche Arbeiten – sehr leistungsfähig und doch einfach zu bedienen!
Von dieser Studie können Sie das Folgende lernen:
- Eine Faser mit nicht zu kleinem Faserkern hat viele Moden, die sich in vielerlei Hinsicht unterscheiden können.
- Die Modenfläche von Moden hoher Ordnung ist nicht unbedingt geringer als die der fundamentalen Mode.
- Effektive Brechungsindizes sollten nicht als gewichtete Mittelwerte interpretiert werden. Vielmehr beschreiben sie die Phasen-Eigenschaften, und sie sind geringer für Moden höherer Ordnung.
- Manche Moden haben ein Profil, das sich signifikant in den Fasermantel hinein erstreckt. Dies gilt vor allem für Moden, die nahe an ihrem Cut-off sind. Interessanterweise kann gerade für solche Moden ein Fernfeld-Profil mit einem ziemlich schmalen Haupt-Feature ausbilden.
- Um wellenlängenabhängige Größen und chromatische Dispersion zu erkunden, brauchen wir wellenlängenabhängige Brechungsindizes. Solche kann man von Sellmeier-Gleichungen erhalten.
- Mit einem numerischen Modell kann man erkunden, wie genau sich die Modenstruktur ändert aufgrund von Änderungen des Designs.
Weitere Artikel
Enzyklopädie:
Teilen Sie dies mit Ihrem Netzwerk:
Folgen Sie uns bei LinkedIn für unsere Updates: