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Fallstudie: Parabolische Pulse in einem Faserverstärker

intro picture

Behandelte Fragen:

  • Welche Pulsenergien sind realistisch für einen Femtosekunden-Faserverstärker?
  • Welche Dispersionscharakteristik brauchen wir für eine effektive zeitliche Kompression nach der Faser?
  • Welchen Einfluss hat die Dotierungskonzentration der Faser?

Wenn ultrakurze Pulse einen Faserverstärker mit normaler chromatischer Dispersion durchlaufen, kann dies in einem Regime geschehen, wo man parabolische Pulse erhält. Hier nähern sich die Pulse asymptotisch einem Zustand an, in dem die Pulsdauer und Bandbreite proportional zur Kubikwurzel der Pulsenergie anwachsen und einen linearen Up-Chirp erhalten. Solche Pulse sind immun gegen das Auseinanderbrechen, selbst bei starken nichtlinearen Effekten, und können relativ einfach dispersiv komprimiert werden. Deshalb ist dieses Regime interessant, um ultrakurze Pulse mit relativ hoher Energie zu erhalten – obwohl lange nicht so viel wie mit chirped-pulse amplification –, und dies mit einem relativ einfachen Verstärkeraufbau. Ein weiterer schöner Aspekt ist, dass die Details des verwendeten Seed-Lasers nicht kritisch sind.

In dieser Fallstudie erkunden wir, wie gut dieses Prinzip funktioniert für eine typischer Faser. Wir beantworten dabei eine Reihe relevanter Fragen – beispielsweise, wie sich starke spektrale Verbreiterung (mit der Folge einer starken Variation der Verstärkung innerhalb des Pulsspektrums) auswirkt, wie stark nichtlineare Effekte für eine gute Pulsqualität werden dürfen, wie die Performance von den verfügbaren Seed-Pulsen abhängt, und welche Rolle die Dotierungsdichte der Faser spielt.

Simulationsmodell

Wir können die Software RP Fiber Power verwenden, die die Power FormFiber Amplifier for Ultrashort Pulses” anbietet. Wir nehmen bandbreitebegrenzte Seed-Pulse mit 200 fs Dauer und einer Energie von 0,1 nJ bei 1060 nm an. Wir wollen diese Pulse verstärken in einer Ytterbium-dotierten einmodigen Faser. Anstatt Daten einer bestimmten kommerziellen Faser zu verwenden, stellen wir diverse Parameter einer typischen Yb-dotierten Faser frei ein. Wir nehmen einen Kernradius von 4 μm und eine moderate Yb-Dichte von 5 · 1024 m−3 an, was genügend Pumpabsorption in einigen Metern Länge ergibt. Weiter nehmen wir eine Gruppendispersion von +10 000 fs2/m an und einen nichtlinearen Index von 3 · 10−20 m2/W. Für den Beginn nehmen wir 500 mW Pumpleistung bei 940 nm in Rückwärtsrichtung.

Schätzung der möglichen Pulsenergie

Eine erste Frage ist, welche Pulsenergien mit diesem Ansatz realistisch sind. Könnten sie so hoch werden, dass ein einziger Puls einen wesentlichen Teil der in der Faser gespeicherten Energie extrahiert? Dafür müsste die Pulsenergie die Sättigungsenergie der Faser übersteigen, die das Modell mit 34,6 μJ angibt. Dividieren wir das durch eine grob geschätzte Pulsdauer von einigen Pikosekunden (nach einer deutlichen zeitlichen Streckung in der Faser), erhalten wir eine Peak-Leistung in der Größenordnung von 10 MW – was niemals funktionieren wird; das würde die Faser sofort zerstören durch katastrophale nichtlineare Selbstfokussierung!

Wir müssen also die Pulsenergie um einige Größenordnungen tiefer wählen, irgendwo im Nanojoule-Bereich. Substanzielle durchschnittliche Ausgangsleistungen sind dann nur möglich in Verbindung mit einer hohen Repetitionsrate. Eine erste grobe Schätzung mag es bei 10 MHz Repetitionsrate funktionieren: durchschnittliche Leistung 10 MHz · 30 nJ = 300 mW, und mit einer Spitzenleistung von ca. 30 nJ / 3 ps = 10 kW. Die Verstärkung von 10 lg (30 nJ / 0,1 nJ) = 24,8 dB ist realistisch für eine einzelne Verstärkerstufe.

Tests mit repetitivem Betrieb

Wir beginnen nun die Simulation mit repetitivem Betrieb bei 10 MHz. Nachdem wir vor allem am stationären Zustand interessiert sind, lassen wir das Modell den Zustand der Faser berechnen basierend auf der durchschnittlichen Eingangsleistung von 10 MHz · 0,1 nJ = 1 mW: Das Programm macht also zunächst eine Berechnung mit einem kontinuierlichen Eingangssignal dieser Leistung, ohne Puls-spezifische Aspekte zu berücksichtigen, und nimmt das daraus resultierende Profil der Yb-Anregung als Startpunkt für die folgende Simulation der Pulsverstärkung.

Hier ist die Power Form mit den gemachten Eingaben und ein paar berechneten Ausgabewerten:

Power Form with input and output values
Abbildung 1: Die Power Form mit diversen Ein- und Ausgabewerten.

Das Modell zeigt uns, dass wir mit einer Faserlänge von 5 m den Großteil der Pumpleistung absorbieren können. Jedoch erhalten wir nur 7,3 nJ Pulsenergie; die Verstärkung ist also recht niedrig, aber warum? Das Diagramm, das den ursprünglichen Zustand vor Eintreffen des Pulses zeigt, legt den Grund offen:

initial state of the amplifier
Abbildung 2: Ausgangszustand des Verstärkers.

Wir sehen, dass wir starke verstärkte Spontanemission (ASE) bekommen, vor allem in Vorwärtsrichtung. Wie ist dies möglich trotz der schwachen Verstärkung der Signale? Durch Inspektion des ASE-Spektrums (hier nicht gezeigt) sehen wir, dass ASE um 975 nm sehr stark ist. Dieses Problem können wir lösen, indem wir den Verstärker nun bei 975 nm pumpen statt bei 940 nm; dadurch wird ASE bei 975 nm unmöglich. Die Simulation zeigt allerdings, dass wir nun eine wesentlich längere Faser benötigen – eine weitere Überraschung, da der Absorptionswirkungsquerschnitt bei 975 nm wesentlich höher ist als bei 940 nm! Die Erklärung dafür ist, dass wir bei der gewählten Pumpleistung eine starke Sättigung der Pumpabsorption haben.

Mit 8m Faserlänge erzielen wir nun 33 nJ Pulsenergie, entsprechend 300 mW durchschnittlicher Leistung. Inspizieren wir nun die Pulse in diesem Regime mithilfe eines interaktiven Fensters:

output pulses for operation with 10 MHz
Abbildung 3: Verstärkte Pulse im Verstärkerbetrieb mit 10 MHz.

Wir können die zeitliche und spektrale Entwicklung auch mit Farbdiagrammen analysieren:

temporal evolution
Abbildung 4: Zeitliche Entwicklung der Pulse entlang der Faser.
spectral evolution
Abbildung 5: Spektrale Entwicklung der Pulse entlang der Faser.

Wir sehen, dass die Pulse zunehmend verzögert werden. Dies liegt daran, dass das Spektrum zu kürzeren Wellenlängen hin driftet, wo die Verstärkung höher ist. Wegen der normalen chromatischen Dispersion macht dies die Pulse etwas langsamer.

Dispersive Pulskompression

Die zeitliche Pulsform (siehe den oberen Bereich) ist nicht wirklich parabolisch wie erwartet. Die ebenfalls gezeigte instantane Abweichung der Wellenlänge von der zentralen Wellenlänge 1060 nm zeigt, dass im Puls zuerst die langwelligeren Komponenten kommen, später erst die kurzwelligen; wir haben einen “Up-Chirp” der instantanen optischen Frequenz). Es stellte sich heraus, dass die langwelligeren Komponenten erheblich mehr Verstärkung erfahren, und das führt zu der ziemlich unsymmetrischen Pulsform.

Das Pulsspektrum (unterer Bereich) ist ziemlich breit; es geht wesentlich über den Bereich hinaus, in dem die Yb-Verstärkung hoch ist. Trotzdem sieht die spektrale Phase (grüne Kurve) parabolisch aus, sodass dispersive Pulskompression funktionieren könnte. Nachdem sie allerdings um hunderte von Radian variiert, können wir hier nicht sehen, ob die Kurve nahe genug an einer Parabel liegt. Simulieren wir also die Kompression durch Eingabe des folgenden Codes, der nach der eigentlichen Simulation ausgeführt wird:

calc (pp_compress(2); store_pulse(2); tau_c2 := tau_p())
calc (pp_compress(3); store_pulse(3); tau_c3 := tau_p())
show "tau_c2:  ", tau_c2:d3:"s"
show "tau_c3:  ", tau_c3:d3:"s"

Damit probieren wir eine dispersive Pulskompression, zunächst nur mit Dispersion zweiter Ordnung, dann auch mit dritter Ordnung, in beiden Fällen numerisch optimiert. (Mögliche Leistungsverluste im Kompressor ignorieren wir hier.) Der Code speichert die Pulse als Nr. 2 und 3 ab und zeigt die jeweiligen Pulsdauern (FWHM-Werte).

Für Dispersion zweiter Ordnung bekommen wir 69,7 fs Pulsdauer. Das klingt nicht schlecht, aber der resultierende Puls sieht gar nicht gut aus:

compressed pulse
Abbildung 6: Pulse nach der Kompression mit Dispersion zweiter Ordnung.

Sogar mit Dispersion dritter Ordnung lässt sich dies nicht retten. Wir sind offenkundig in einem Regime mit zu starken nichtlinearen Effekten, wo wir keine schönen parabolischen Pulse mehr bekommen. Versuchen wir es deswegen mit einer höheren Repetitionsrate von 10 MHz, die zu entsprechend moderaterer Spitzenleistung und weniger nichtlinearer Verbreiterung führt.

pulses for 30 MHz
Abbildung 7: Die Ausgangspulse bei 30 MHz ohne Kompression.

Die Pulse sind nun etwas eher parabolisch, aber immer noch stark asymmetrisch wegen der größeren Verstärkung der langwelligeren Komponenten, die später kommen.

Mit nur Dispersion zweiter Ordnung bekommen wir immer noch keine gute Pulskompression:

pulse with 30 MHz, second-order compression
Abbildung 8: Die Ausgangspulse mit 30 MHz, komprimiert nur mit Dispersion zweiter Ordnung.

Mit Dispersion auch dritter Ordnung funktioniert es jedoch recht gut, lediglich mit schwachen Vor- und Nachläufern:

pulse with 30 MHz, third-order compression
Abbildung 9: Die Pulse bei 30 MHz nach der Kompression mit Dispersion zweiter und dritter Ordnung.

Wir erzielen eine komprimierte Pulsdauer von 61,9 fs und ein ordentlich niedriges Zeit-Bandbreite-Produkt von 0,66, konsistent mit der ziemlich flachen spektralen Phase. Beachten Sie, dass die Zentralwellenlänge des Pulses deutlich gegenüber der der Eingangspulse (1060 nm) verschoben ist.

Den Self-Steepening-Effekt (der mit der Frequenzabhängigkeit der nichtlinearen Wechselwirkung zu tun hat) haben in diesen Simulationen vernachlässigt, aber ein schneller Test zeigt, dass dies an den Resultaten auch kaum etwas ändert.

Einfluss der Yb-Dotierungsdichte

Normalerweise könnte man ohne wesentliche Änderung z. B. die Yb-Dotierungsdichte verdoppeln, um dann mit der halben Faserlänge zu arbeiten. In unserem Fall ändert das aber auch die Einflüsse von Nichtlinearität und chromatischer Dispersion der Faser. Ohne eine Simulation wäre es schwer, zuverlässig vorherzusagen, wie sich das auf die Resultate auswirken würde.

Wir probieren das nun einfach aus. Das Resultat ist, dass die spektrale Verbreiterung sogar stärker wird, und die Pulsdauer nach Kompression sinkt sogar auf 44,1 fs. Wir bekommen also eine stärkere nichtlineare Verbreiterung trotz Verwendung einer kürzeren Faser – weil die schwächere Dispersion weniger zeitliche Streckung der Pulse bewirkt, was eine höhere Spitzenleistung bedingt.

Einfluss der Parameter der Eingangs-Pulse

Wir können nun auch prüfen, wie wichtig die Parameter der Eingangs-Pulse sind. Beispielsweise können wir ihre Dauer auf 400 fs verdoppelt, bekommen dann eine wenig niedrigere Pulsenergie und sogar leicht kürzere Pulse. Wenn wir stattdessen die Pulsenergie auf 50 pJ halbieren, sinkt die Pulsenergie nach Verstärkung nur auf 10,3 nJ, und die Pulsdauer wächst etwas an auf 65 fs. Wir sehen also, dass diese Pulsparameter des Seed-Lasers in der Tat nicht so wichtig sind in diesem Regime.

Weitere Erkundungen

Man könnte nun weitere Aspekte untersuchen; einige Beispiele für Fragen, die man mit dem Simulationsmodell angehen könnte:

  • Wie viel höhere Pulsenergien sind möglich, wenn man z. B. eine Faser mit größerer Modenfläche verwendet?
  • Wie funktioniert es für kürzere oder längere Pulswellenlängen?
  • Wie weit käme man durch Optimierung der Yb-Konzentration (die ja, wie gezeigt, einen Einfluss auf die nichtlineare Verbreiterung und Kompression hat)?
  • Wie entwickeln sich die Pulsparameter nach dem Einschalten der Pumpquelle des Verstärkers?

Solche Fragen sind sehr relevant für die Entwicklung solcher Geräte, und für viele davon gibt es keinen anderen praktikablen Weg der Klärung außer solchen numerischen Simulationen.

Vielleicht interessiert Sie auch eine Fallstudie, in der die Verstärkung von Soliton-Pulsen untersucht wird

Fazit

RP Fiber Power

Die Software RP Fiber Power ist ein prima Tool für solche Arbeiten – sehr leistungsfähig und doch einfach zu bedienen!

Sie können von dieser Studie einiges lernen:

  • Man findet einfach das Regime, in dem in etwa parabolische Pulse geformt werden durch das Zusammenspiel von Kerr-Nichtlinearität und chromatischer Dispersion.
  • Im Details spielen jedoch diverse Effekte eine wichtige Rolle. Beispielsweise kann wellenlängenabhängige Verstärkung zu einer asymmetrischen Pulsform führen.
  • In einem Regime mit zu starken nichtlinearen Effekten wird eine Pulskompression mit guter Pulsqualität schwierig.

Offensichtlich braucht man für die Analyse und Optimierung numerische Simulationen mit einer dafür genügend flexiblen Simulationssoftware.

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