Fallstudie: Nichtlineare Pulskompression mit einer Faser
Behandelte Fragen:
- Wie gut funktioniert die nichtlineare Pulskompression in verschiedenen Pulsdauer-Regimes?
- Welchen Einfluss hat die chromatische Dispersion? Brauchen wir Dispersion höherer Ordnung?
- Inwieweit können wir eine niedrige Spitzenleistung durch eine größere Faserlänge ausgleichen?
Eine gebräuchliche Methode der zeitlichen Kompression von ultrakurzen Lichtpulsen besteht darin, die Pulse zunächst in einer Glasfaser durch Selbstphasenmodulation zu verbreitern und dann ihre spektrale Phase mehr oder weniger flach zu machen, z. B. mit einem Paar von Beugungsgittern. Das führt oft zu einer Reduktion der Pulsdauer um ein bis zwei Größenordnungen, aber leider auch zu einer reduzierten Pulsqualität. Beispielsweise können die komprimierten Pulse einen gewissen Untergrund oder Nebenpulse aufweisen, die für manche Anwendungen problematisch sind.
In dieser Fallstudie untersuchen wir mit numerischen Simulationen einige Beispielfälle, um einen Eindruck zu bekommen, wie die Methode funktioniert und welche Faktoren die Resultate beeinflussen. Wir betrachten zwei Fälle mit recht unterschiedlichen Pulsenergien.
Für die Simulationen verwenden wir die Software RP Fiber Power. Sie bietet die Power Form “Passive fiber for ultrashort pulses”. Damit ist die Simulation sehr einfach, sodass wir uns auf die nicht immer ganz einfache Physik konzentrieren können.
Fall 1: Pulse mit 100 nJ, 1 ps, 1050 nm
Wir arbeiten hier mit nicht gechirpten Gauß-Pulsen mit 100 nJ Pulsenergie bei 1050 nm und einer anfänglichen Pulsdauer von 1 ps. Das bedeutet eine erhebliche Spitzenleistung von etwas unter 100 nJ / 1 ps = 100 kW.
Wir berechnen die Parameter einer einmodigen Germanosilikat-Faser mit einem Kerndurchmesser von 8 μm und einer konstanten Dotierungskonzentration von 2 % im Kern. Das führt zu Single-Mode-Verhalten (mit nur der LP01-Moed) bei 1050 nm:
Mit diesen Einstellungen berechnet das Programm die Gruppengeschwindigkeitsdispersion von 20 021 fs2/m bei 1050 nm (im Regime normaler Dispersion). (Für die Pulspropagation berechnet es diesen Wert für jede relevante Wellenlänge im Pulsspektrum, sodass die Dispersion aller Ordnungen berücksichtigt ist.) Außerdem nehmen wir einen nichtlinearen Index von 3 · 10−20 m2/W an.
Zunächst versuchen wir die Propagation mit einer Faserlänge von 500 mm, aber dafür finden wir eine zu extreme nichtlineare Verbreiterung; gehen wir also auf 300 mm. Damit bekommen wir in der zeitlichen Domäne einen Puls mit einer mehr als verdoppelten Dauer von 2,09 ps; das liegt an der chromatischen Dispersion, die übrigens durch die spektrale Verbreiterung deutlich wirksamer wird. Der Puls ist nicht mehr nahezu gaußförmig:
Die spektrale Phase (graue gestrichelte Kurve) ist in der Mitte ungefähr parabolisch, in den äußeren Bereichen aber nicht mehr. Deswegen bekommen wir keinen linearen Anstieg der instantanenen optischen Frequenz während des Pulses.
Beachten Sie auch, dass die hintere Flanke ziemlich steil wird. Wir sehen hier den Effekt namens self-steepening, den wir für diese Simulation aktiviert haben.
Das Pulsspektrum zeigt die für Fälle mit starker Selbstphasenmodulation typischen Oszillationen, solange der Einfluss der chromatischen Dispersion nicht stark ist:
Ein weiteres Diagramm zeigt schön, wie sich das Pulsspektrum in der Faser entwickelt:
Nun versuchen wir die dispersive Kompression, zunächst nur mit Dispersion zweiter Ordnung (d. h. mit wellenlängenunabhängiger Gruppendispersion) und nehmen 20 % Energieverluste im Kompressor an:
Der resultierende komprimierte Puls:
Die Software hat hier einen asymmetrischen Zeitbereich gewählt, weil der Pulsuntergrund auf der linken Seite (d. h. vor dem Puls) deutlich ausgedehnter ist. Das passiert übrigens nur, wenn self-steepening berücksichtigt wird.
Der Puls hat eine stark reduzierte Pulsdauer von 30,6 fs, aber die Pulsqualität ist nicht ideal. Leider wird das auch nicht besser, wenn wir mit nur 100 mm Faserlänge arbeiten, was zu einer Pulsdauer von 63,2 fs führt:
Diese nicht perfekte Pulsqualität leider typisch für diese Art der Pulskompression.
Soweit haben wir angenommen, dass die Start-Pulse ungechirpt sind. Das können wir nun ändern:
- Wenn wir einen Up-Chirp von 1 THz/ps verwenden (was bereits eine wesentliche Vergrößerung der Bandbreite bedeutet), bekommen wir etwas mehr spektrale Verbreiterung, aber die komprimierte Pulsdauer wird kaum kürzer.
- Wenn wir mit einem Down-Chirp von −1 THz/ps arbeiten, bekommen wir zunächst eine spektrale Kompression, vor die spektrale Verbreiterung einsetzt:
Ein weiteres interessantes Experiment ist, mit einem ungechirpten parabolischen Puls zu starten, auch wenn dieser leider nicht so leicht zu erzeugen wäre. Die Idee ist, dass wir für einen parabolischen Puls eine parabolisch geformte zeitliche Phase erhalten, soweit diese Pulsform in der Faser erhalten bleibt. Das führt dann zu einem linearen Anstieg der instantanen optischen Frequenz. Prüfen wir zunächst die Form des Pulses nach der Faser, vor der dispersiven Kompression:
Die parabolische Form bleibt also in der Tat in etwa erhalten. (An den Enden haben wir einen sehr schnellen Abfall der Leistung.) Nun prüfen wir die Entwicklung des Spektrums:
Interessanterweise haben wir nun nicht mehr die starken spektralen Oszillationen. Das Pulsprofil ist ebenfalls ungefähr parabolisch:
Warum sind die spektralen Oszillationen nun verschwunden? Das kann man wie folgt verstehen:
- Für den Gauß-Puls (wie für viele andere Pulsformen) hat die Krümmung des Profils der nichtlinearen Phasenänderung zu verschiedenen Zeiten verschiedene Vorzeichen. Die instantane Frequenz wird deswegen zunächst abfallen, dann steigen, und am Ende wieder fallen. Deswegen kommt jeder Wert der Frequenz während des Pulses zweimal vor. Die beiden Beiträge zum Fourier-Spektrum interferieren miteinander (wie Sie am Fourier-Integral sehen können), wobei die relative Phase veränderlich ist. Das führt zu den spektralen Oszillationen.
- Mit dem parabolischen Puls steigt die instantane Frequenz monoton. Damit entfallen der genannte Interferenzeffekt und die resultierenden Oszillationen. Allerdings wird die Pulsform in der Faser nicht genau parabolisch bleiben.
Betrachten wir nun den komprimierten Puls, wenn wir nur Dispersion zweiter Ordnung optimieren:
Um das weiter zu verbessern, können wir nun die Optimierung mit Dispersion bis zur dritten Ordnung durchführen:
Das ist nun deutlich besser, obwohl der Vor-Puls immer noch etwas stören mag. Mit perfekter Pulskompression (mit beliebigen Ordnungen) wird es nicht mehr viel besser:
Wir sehen, dass die spektrale Form hier die Grenzen für die Unterdrückung der Neben-Pulse setzt.
Übrigens zeigen die Diagramme etwas die Grenzen der spektralen Auflösung. Diese könnten wir einfach erhöhen, indem wir die Simulationen mit einem etwas längeren Zeitfenster durchführen und dann wahrscheinlich die Anzahl der Amplituden-Punkte für einen Puls erhöhen. Das würde nur etwas mehr Rechenzeit kosten. Wir bräuchten aber immer noch weit unter einer Minute für eine Simulation.
Fall 2: Schwächere Pulse: 10 nJ, 1 ps, 1050 nm
Mit 10 mal weniger Pulsenergie als vorher bekommen wir 10 mal weniger Spitzenleistung. Deswegen verwenden wir nun einen zehnmal längere Faser (3 m); die anderen Faser-Parameter lassen wir unverändert. Die Energieverluste in der Faser können wir immer noch vernachlässigen. Wir verwenden wieder ungechirpte Gauß-Pulse mit 1 ps Dauer, wie am Anfang im anderen Fall.
Man mag vielleicht die gleichen Resultate wie vorher erwarten, aber es ist nicht so. Betrachten wir zunächst die zeitliche Pulsform nach der Faser:
Diese wurde nun oben fast flach und wesentlich länger wegen der stärkeren dispersiven Verbreiterung in der längeren Faser.
Das Pulsspektrum ist ebenfalls deutlich verändert; es zeigt nicht mehr die starken Oszillationen:
Jedoch ist dies erst nach einer genügend langen Strecke in der Faser so, wie das folgende Diagramm zeigt:
Anfangs haben wir starke Oszillationen, aber diese werden dann mehr und mehr ausgewaschen. Im Übrigen nimmt die spektrale Verbreiterung dann kaum mehr zu, weil die Spitzenleistung der Pulse niedrig wird.
Der komprimierte Puls (mit Anwendung nur von Dispersion zweiter Ordnung) hat eine Dauer von 81,2 fs:
Mit einem perfekten Kompressor (Dispersion beliebiger Ordnungen) wird es wesentlich besser, mit einer Pulsdauer von 51,2 fs, auch wenn das schwer realisierbar sein dürfte:
Wir könnten es natürlich mit noch längeren Fasern probieren. Jedoch zeigt das folgende Diagramm, dass die komprimierte Pulsdauer (mit perfekter Kompression) nach ein paar Metern bereits kaum mehr abfällt (siehe die gestrichelte grüne Kurve):
Dies liegt daran, dass die Pulsdauer in der Faser zunimmt, also die Spitzenleistung abnimmt und somit die weitere spektrale Verbreiterung gering ist.
Fall 3: Noch schwächere Pulse: 1 nJ, 1 ps, 1050 nm
Nun gehen wir von einer Pulsenergie von nur noch 1 nJ aus, wo die anfängliche Spitzenleistung nur noch etwas unter 1 kW ist. Die Faserlänge hierfür nochmals 10 mal länger zu machen, macht hier wirklich keinen Sinn, da die spektrale Verbreiterung bereits nach 10 m kaum mehr zunimmt. Nehmen wir also 10 m. Selbst damit steigt die Pulsdauer in der Faser bis auf 5 ps. Das Spektrum zeigt keinerlei Oszillationen mehr:
Kompression nur mit Dispersion zweiter Ordnung führt zu 166-fs-Pulsen mit erheblichen Seiten-Peaks:
Mit perfekter Kompression wäre die Pulsqualität wiederum deutlich besser:
Wir sehen also, dass man für nicht so energetische Pulse keine so starke Kompression erzielen kann – im Wesentlichen, weil man eine längere Faser benötigt, in der dann der Effekt der chromatischen Dispersion stärker limitierend wirkt. Dies ließe sich allerdings verbessern, indem man eine Faser mit reduzierter Dispersion wählt.
Fall 4: Pulse mit 100 nJ, 1 ps bei 1550 nm
Nun testen wir die Kompression bei 1550 nm. Das ist interessant, weil wir hier im Regime mit anomaler Dispersion sind (mit negativem GVD). Sie erwarten hier vielleicht Soliton-Effekte.
Für die längere Wellenlänge erhöhen wir den Kernradius der Faser von 4 μm auf 6 μm, um die V number in etwa gleich zu halten. Damit sind wir weiterhin im einmodigen Regime. Die Modenfläche steigt dann von 64,5 μm (bei 1050 nm) auf 142,7 μm. Der nichtlineare Index wird dann etwas kleiner; wir nehmen 2.7 · 10−20 m2/W.
Wir starten mit 300 mm Faserlänge wie in Fall 1. Betrachten wir zunächst die Entwicklung des Pulsspektrums:
Es stellt sich heraus, dass die spektrale Verbreiterung in den ersten 130 mm ähnlich wie vorher funktioniert. Wir verwenden das praktische interaktive Fenster für die Inspektion der Pulse an verschiedenen Stellen der Faser. Zunächst der Puls nach 130 mm in der Faser:
Wir sehen zunächst nur eine leichte Oszillation auf dem zeitlichen Profil. Nach 180 mm werden diese Oszillationen aber sehr stark:
Nach 220 mm wird das Spektrum sehr breit, und das zeitliche und spektrale Profil werden irregulär:
Übrigens mussten wir in diesen Simulationen nun die Berücksichtigung der “delayed nonlinear response”, die stimulierte Raman-Streuung verursacht, anschalten. Dies hat nämlich (anders als in den bisherigen Beispielfällen) die Resultate wesentlich beeinflusst. Wir müssen außerdem Quantenrauschen dem Eingangspuls beifügen, da die Raman-Verstärkung außerhalb des Pulsspektrums darauf wirkt.
Offensichtlich ist dieses extreme Regime nicht geeignet für effektive Pulskompression. Wir bleiben besser im moderaten Regime, indem wir die Faser auf 120 mm kürzen. Hier funktioniert die Kompression mit Dispersion von nur zweiter Ordnung einigermaßen gut, mit einer Pulsdauer von 155 fs:
Mit perfekter Kompression (hier nicht gezeigt) wird es nicht mehr wesentlich besser.
Wir sehen also, dass wir im Regime anomaler Dispersion mit der Wahl der Faserlänge vorsichtiger sein müssen. Wenn wir zu weit gehen, bekommen wir ein totales Auseinanderbrechen der Pulse.
Fazit
Die Software RP Fiber Power ist ein prima Tool für solche Arbeiten – sehr leistungsfähig und doch einfach zu bedienen!
Sie können von dieser Studie einiges lernen:
- Für die höchste Pulsenergie erhalten wir eine starke nichtlineare Verbreiterung, bevor die Pulse deutlich verlängert werden. Die komprimierten Pulse werden damit recht kurz.
- Für niedrigeren Pulsenergien brauchen wir eine längere Faser, und dann verursacht die chromatische Dispersion ein stärkere zeitliche Verbreiterung, was die nichtlinearen Effekte reduziert. Deswegen werden die komprimierten Pulse dann länger.
- Obwohl die spektrale Phase der nichtlinear modulierten Pulse eine in etwa quadratische Form hat, wird die Pulsqualität nicht so gut, wenn wir nur mit Dispersion zweiter Ordnung komprimieren. Selbst bei perfekt geformter Dispersion wird die Pulsqualität meist nicht optimal.
Obwohl die wesentlichen Effekte qualitativ gut verständlich sind, kann man nur mit numerischen Simulationen verlässlich die Performance vorhersagen und optimieren. Dafür ist eine flexible Simulationsoftware unentbehrlich.
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