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Fallstudie: Stimulierte Raman-Streuung in einem Faserverstärker

intro picture

Behandelte Fragen:

  • Welche Faktoren bestimmen, wie stark der Einfluss stimulierter Ramanstreuung in einem Faserverstärker ist? Nur die anfängliche Spitzenleistung?
  • Wie wichtig ist die ursprüngliche Pulsdauer?

Wenn ultrakurze Lichtpulse in einem Faserverstärker hohe Spitzenleistungen entwickeln, kann stimulierte Raman-Streuung (SRS) eine wichtige Rolle spielen.

In dieser Fallstudie untersuchen wir das in sehr unterschiedlichen Regimes bzgl. der Pulsdauer der hineingeschickten Signalpulse. Dies für einen in den Faserkern gepumpten einmodigen Ytterbium-Faserverstärker mit moderaten Ausgangs-Pulsenergien von einigen hundert Nanojoule.

Wir verwenden den gleichen Satz von Faserdaten wie in einer anderen Fallstudie über parabolische Pulse in einem Faserverstärker: eine einmodige Faser mit 4 μm Kernradius, Yb-dotiert mit einer Dichte von 5 · 10−24 m−3. Wir pumpen 10 m dieser Faser (in Rückwärtsrichtung) mit 500 mW bei 975 nm.

Die Software RP Fiber Power mit der Power FormFiber amplifier for ultrashort pulses” ist hierfür bestens geeignet. Wir können einfach die Parameter in das Formular eintragen, einschließlich der Einstellungen für die gewünschten Diagramme, und bekommen alles simuliert. Im Folgenden sehen Sie zunächst den Anfang des Formulars, wo die Eingangspulse definiert werden und die numerischen Einstellungen für die ultrakurzen Pulse:

the form, part 1
Abbildung 1: Der Anfang der Power Form.

Wir haben eine relativ hohe zeitliche Auflösung eingestellt, wie es für Simulationen mit Raman-Streuung nötig ist: Nur so können wir einen genügend breiten Bereich optischer Frequenzen abbilden. (Trotzdem benötigt eine solche Simulation nur ein paar Sekunden auf einem gewöhnlichen PC.) Die detaillierten Einstellungen müssen wir allerdings je nach Fall justieren, da wir sehr unterschiedliche Pulsdauer-Regimes betrachten werden.

Sie sehen im Formular auch, dass wir einen repetitiven Betrieb simulieren; wir sind dabei nur am stationären Zustand interessiert und simulieren nur einen Verstärkungszyklus.

Im nächsten Teil des Formulars definieren wir eine Verstärkerstufe:

the form, part 2
Abbildung 2: Der nächste Teil der Power Form.

Der Anfangszustand des Verstärkers (dessen Yb-Anregung) wird berechnet basierend auf der mittleren Signal-Eingangsleistung. Damit präparieren wir den Verstärker in einem Zustand nahe dem stationären Zustand. Beachten Sie, dass die Pulsenergien auch am Ausgang weit unter der Sättigungsenergie bleiben werden, sodass ein Puls allein keine nennenswerte Sättigung der Verstärkung bewirkt.

In allen Fällen haben wir einen gaußförmigen Eingangspuls mit 1 nJ Pulsenergie (aber variabler Pulsdauer) und mit der Zentralwellenlänge 1050 nm.

Bevor wir Details der Pulse anschauen, inspizieren wir den berechneten Anfangszustand des Verstärkers:

initial state of amplifier
Abbildung 3: Der Anfangszustand des Verstärkers, der nahe am stationären Zustand im repetitiven Betrieb liegt.

Wir sehen, dass die Faser eigentlich ein wenig zu lang ist; nach 7,5 m Länge ist die Pumpleistung bereits komplett aufgebraucht. Das spielt für uns jedoch keine wichtige Rolle.

Fall 1: Eingangspulse mit 1 nJ, 10 ps

In unserem ersten Fall haben wir relativ lange Pulse. Betrachten wir zuerst, wie sich die zeitliche Pulsform entlang der Faser entwickelt:

evolution in time domain
Abbildung 4: Entwicklung der zeitlichen Pulsform in der Faser.

Der Eindruck, dass es nach 3 m bereits eine erhebliche Pulsverbreiterung gibt, täuscht: Dies liegt nur an der zunehmenden Pulsenergie im Zusammenhang mit der verwendeten Farbskala. Ganz rechts sehen Sie eine unregelmäßige Struktur, die wir noch genauer betrachten werden. Sehen wir zuerst noch auf die Entwicklung des Pulsspektrums in der Faser:

spectral evolution
Abbildung 5: Entwicklung des Pulsspektrums in der Faser.

Für dieses spektrale Diagramm haben wir eine logarithmische Farbskala verwendet, die einen 40-dB-Bereich von Intensität abdeckt, sodass wir schwach hochkommende Strukturen erkennen können. Dies kommen erst am rechten Ende der Faser. Bevor das geschieht, gibt es bereits eine wesentliche spektrale Verbreiterung, die aufgrund von Selbstphasenmodulation startet.

Für eine genauere Untersuchung brauchen wir nicht nur die Pulse am Ausgang, sondern möchten sie auch an verschiedenen Stellen entlang der Faser beobachten. Hierfür gibt uns die Power Form zwei Optionen:

  • Wir können ein Diagramm erzeugen, wo wir die zeitliche oder spektrale Form für verschiedenen Positionen betrachten können, zwischen denen wir mit Schaltflächen oder einem Einstellknopf wechseln können.
  • Wir können das interaktive Puls-Anzeigefenster verwenden, das den Puls jeweils in der zeitlichen und spektralen Domäne zeigt und für jede beliebige Position anzeigen kann (limitiert nur durch die numerische Schrittweite). Dieses Fenster ist sogar verfügbar, ohne dass man im Formular dafür etwas konfigurieren müsste – man drückt einfach Ctrl-D.

Hier verwenden wir die letztere Möglichkeit, beginnend mit dem Puls nach 8 m der Faser:

pulse after 8 m
Abbildung 6: Der Puls nach 8 m der Faser.

Wir sehen, dass die Pulsdauer noch kaum erhöht ist, während das Spektrum schon massiv verbreitert ist – mit einer oszillierenden Intensität, wie sie für Fälle mit starker Selbstphasenmodulation typisch ist.

Nach 9 m der Faser sehen wir kleine Oszillationen im Zeitbereich und eine weiter verstärkte spektrale Verbreiterung:

pulse after 9 m
Abbildung 7: Der Puls nach 9 m Faser.

Beachten Sie, dass sich die spektrale Verbreiterung wegen der zunehmenden Pulsenergie beschleunigt hat.

Am Faserende (nach 10 m Faser) wird die Situation ziemlich extrem, und das Spektrum wird nun chaotisch:

pulse after 10 m
Abbildung 8: Der Puls nach 10 m Faser.

Die Oszillationen rühren daher, dass Raman-Streuung wesentlich längerwelligere Komponenten erzeugt, die im Zeitbereich mit den ursprünglichen interferieren.

Sie mögen bemerkt haben, dass die zeitlichen Oszillationen nicht am Peak starten, wie man erwarten könnte, sondern etwas links davon. Dies liegt daran, dass das Raman-gestreute Licht etwas schneller propagiert als der ursprüngliche Puls. (Die Faser hat normale Dispersion.) Deswegen driftet dieses Licht im Diagramm etwas nach links.

Beachten Sie auch, dass diverse Features in den Diagrammen bei wiederholter Simulation jedes Mal etwas anders ausfallen. Das liegt daran, dass wir zufällige Fluktuationen zum Eingangspuls gegeben haben, die die Quantenfluktuationen simulieren. Was hier physikalisch geschieht: Es gibt eine starke Raman-Verstärkung bei Wellenlängen außerhalb des Pulsspektrums, die dann die Quantenfluktuationen auf ein hohes Niveau verstärken. Natürlich sind diese Fluktuationen bei jedem Puls anders – was bedeutet, dass aufeinanderfolgende Pulse nicht völlig zueinander kohärent sein werden. Unsere Simulationen spiegeln das gut wider.

Ein optischer Spektralanalysator zeigt gewöhnlich ein Spektrum, das durch Mittelung mit vielen Pulsen entstanden ist. Dabei werden einige der spektralen Strukturen ausgewaschen. Ähnliches passiert auch bei zeitlichen Messungen z. B. mit einem Autokorrelator. Es ist gut zu wissen, dass auch in der Realität jeder Puls etwas anders ist. Das ist typisch vor allem für dieses Regime mit relativ langen Pulsen. Wenn wir wollten, könnten wir ein Diagramm erzeugen, welches die zeitlichen und spektralen Kurven durch Mittelung über mehrere Simulationen gewinnt.

Man würde einen Faserverstärker normalerweise nicht in diesem Regime betreiben, wo er stark verzerrte und fluktuierende Pulse liefert. Jedoch ist der Zweck dieser Fallstudie nicht, einen guten Verstärker zu entwickeln, sondern ein Verständnis dessen, was hier passieren kann.

Fall 2: Eingangspulse mit 1 nJ, 1 ps

Nun reduzieren wir die Eingangs-Pulsdauer von 10 ps auf 1 ps. Wegen der zehnmal höheren Spitzenleistung der Pulse mag man erwarten, dass der Effekt der Raman-Streuung nun viel stärker wird. Wir werden allerdings sehen, dass der Unterschied gar nicht so groß ist. Betrachten wir zunächst wieder die Entwicklung des zeitlichen und spektralen Profils in der Faser:

temporal evolution
Abbildung 9: Entwicklung der zeitlichen Pulsform in der Faser mit 1-ps-Eingangspulsen.
spectral evolution
Abbildung 10: Entwicklung des Spektrums (wieder mit logarithmischer Farbskala).

Die zeitliche Pulsverbreiterung ist nun viel stärker als vorher, sodass die Spitzenleistung am Ende lange nicht so hoch wird, wie man meinen könnte. Starke Raman-Effekte treten wieder erst auf dem letzten Meter der Faser auf.

Inspizieren wir die Pulse wieder an einigen Stellen in der Faser – zunächst nach 5 Metern:

pulse after 5 m
Abbildung 11: Der Puls nach 5 m Faser.

In der zeitlichen Domäne zeigen wir hier auch die Abweichung der instantanen Frequenz von der Mittenfrequenz an. Wir sehen schön den monotonen Up-Chirp, der vom Zusammenspiel normaler Dispersion und Nichtlinearität erzeugt wird. Der Pulse hat gewisse Charakteristika eines parabolischen Pulses. Dass er recht asymmetrisch ist, liegt daran, dass die höheren Frequenzkomponenten, die in der zweiten Hälfte des Pulses kommen, eine höhere Verstärkung erfahren. (Die Ytterbium-Verstärkung hat ihr Maximum hier bei ca. 1030 nm.)

Im Spektrum sehen wir weniger ausgeprägte Oszillationen; dies liegt am stärkeren Einfluss der chromatischen Dispersion.

Nach 8 Metern sehen wir im Zeitbereich beginnende Oszillationen, die von stimulierter Raman-Streuung verursacht werden:

pulse after 8 m
Abbildung 12: Der Puls nach 8 m Faser.

Das Spektrum wird ziemlich asymmetrisch. Es wird durch ein komplexes Zusammenspiel von wellenlängenabhängiger Verstärkung und nichtlinearen Effekten geformt – schwer im Detail zu interpretieren.

Am Ende der Faser (nach 10 m) wird es wieder recht chaotisch:

pulse after 10 m
Abbildung 13: Der Puls nach 10 m Faser.

Fall 3: Eingangspulse mit 1 nJ, 0.1 ps

Mit nochmals zehnmal kürzeren Pulsen ändert sich die Situation wieder deutlich. Im Zeitbereich sehen wir eine starke Verbreiterung und eine Drift hin zu positiven <$t$>-Werten:

temporal evolution
Abbildung 14: Die zeitliche Entwicklung für 0.1-ps-Eingangspulse.

Diese Drift bedeutet, dass der Puls stärker verzögert wurde (langsamer propagierte), als es für den Eingangs-Puls ohne die Prozesse in der Faser passiert wäre. Dies liegt an der längeren mittleren Wellenlänge infolge der Raman-Streuung.

Das Diagramm mit der spektralen Entwicklung zeigt eine rasche spektrale Verbreiterung am Anfang und wiederum erst auf dem letzten Meter starke Effekte der Raman-Streuung.

spectral evolution
Abbildung 15: Die spektrale Entwicklung.

Der Ausgangs-Puls ist zeitlich sogar länger geworden als im vorherigen Fall:

pulse after 10 m
Abbildung 16: Der Puls nach 10 m Faser.

Natürlich würden sich wieder viele Details ändern, wenn wir Parameter wie die Pumpleistung und Pumpwellenlänge, die Wellenlänge des Eingangs-Pulses oder die chromatische Dispersion der Faser ändern würden.

Fazit

RP Fiber Power

Die Software RP Fiber Power ist ein prima Tool für solche Arbeiten – sehr leistungsfähig und doch einfach zu bedienen!

Sie können von dieser Studie einiges lernen:

  • Man mag erwarten, dass die Eingangs-Pulsdauer entscheidend ist dafür, wie starke SRS-Effekte sind. Jedoch ist dies oft nicht der Fall, weil die dispersive Pulsverbreiterung für kurze Pulse besonders schnell erfolgt.
  • Die detaillierte Entwicklung der Pulse in der Faser ist ziemlich kompliziert. Numerische Simulationen sind der einzige praktikable Weg, um herauszufinden, was wirklich passiert, und auch um Verstärker geeignet zu optimieren.

Indem Sie verschiedene Parametersätze mit einer geeigneten Simulationssoftware ausprobieren, entwickeln Sie rasch ein tieferes Verständnis. Jegliche falsche Erwartungen können durch Vergleich mit Simulationen korrigiert werden.

Siehe auch unsere Enzyklopädieartikel über Raman scattering, fiber amplifiers, nonlinearities, chirped-pulse amplification, pulse compression und pulse propagation modeling.

Weitere Artikel

Enzyklopädie:

Literatur

[1]D. Hollenbeck and C. D. Cantrell, “Multiple-vibrational-mode model for fiber-optic Raman gain spectrum and response function”, J. Opt. Soc. Am. B 19 (12), 2886 (2002); https://doi.org/10.1364/JOSAB.19.002886

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