Fallstudie: Kollision von Solitonen in einer Faser
Behandelte Fragen:
- Wie kann man numerisch die Kollision von Solitonen simulieren?
- Unter welchen Umständen können Pulse solche Kollisionen überstehen?
Soliton-Pulse in optischen Fasern (mit anomaler Dispersion) haben diverse bemerkenswerte Eigenschaften. Einige davon werden beobachtet, wenn man solche Pulse miteinander kollidieren lässt. Wir werden hier ein paar Testfälle betrachten.
Wie können Pulse eigentlich in einer Faser kollidieren? Der triviale Fall ist, dass sie gegeneinander laufen, aber hier betrachten wir eine andere Situation: Der zweite Puls hat eine etwas andere Zentralwellenlänge, dadurch (wegen der chromatischen Dispersion) eine andere Gruppengeschwindigkeit. Wenn z. B. der zweite Puls eine etwas niedrigere Frequenz hat, wird er (wegen der anomalen Dispersion) langsamer als der andere. Wenn wir ihm einen kleinen Vorsprung geben, wird er vom zweiten Puls eingeholt werden, sodass sie kollidieren.
Weiter nehmen wir in dieser Studie an, dass beide Pulse dieselbe lineare Polarisation haben. Dies führt zu starken Interferenzeffekten während der Kollision. (Bei orthogonalen Polarisationen gäbe es nur eine Wechselwirkung über Kreuzphasenmodulation.) Da ein Soliton durch eine Balance zwischen chromatischer Dispersion und Nichtlinearität entsteht, könnte man erwarten, dass die Kollision zu einem ziemlichen Chaos (z. B. mit Auseinanderbrechen der Pulse) führt: Schließlich führt die starke Intensitätsmodulation der überlappenden Pulse zu einer entsprechenden starken Modulation des Brechungsindex. Somit sollte es überraschen, dass die Solitonen sich tatsächlich als sehr robust erweisen und solche Kollisionen meist überleben.
Einrichtung des Simulationsmodells
Wir verwenden für die Simulation die Software RP Fiber Power, die die Power Form “Passive Fiber for Ultrashort Pulses” hat. Dieses Formular wurde nicht speziell entwickelt für die Eingabe von zwei Pulsen, aber wir können im Formular einen Ausdruck für die komplexe Amplitude als Funktion der Zeit eingeben. Dieser Ausdruck kann von diversen Parametern abhängen, die wir mit ein paar Zeilen Skriptcode automatisch berechnen lassen:
tau_s_in1 := 250 fs { duration of pulse 1 }
tau_s_in2 := tau_s_in1 { duration of pulse 2 }
dt2 := -3 ps { temporal offset of pulse 2 }
df2 := -8 THz { frequency offset of pulse 2 }
sech(x) := 1 / cosh(x)
beta2 := rval(fiber1.GVD$, "fs^2/m") * fs^2 { GVD parameter }
gamma := fiber1.n2_f * (2pi / l_s_c) / A_eff(fiber1.signal) { nonlinear coefficient }
E_s1 := -2 * beta2 / (gamma * (tau_s_in1 / 1.7627)) { energy of pulse 1 }
E_s2 := -2 * beta2 / (gamma * (tau_s_in2 / 1.7627)) { energy of pulse 2 }
{ soliton energies for the given pulse durations }
show "E_s1: ", E_s1:d3:"J"
show "E_s2: ", E_s2:d3:"J"
calc cf_set_input('E_s_in', E_s1 + E_s2) { set input field }
Dies definiert zwei Pulsdauern, die anfangs gleich sein sollen, später aber voneinander abweichen können. Der Code berechnet die zugehörigen Energien fundamentaler Solitonen. Am Ende wird das Eingabefeld für die Pulsenergie gesetzt; wir setzen also automatisch die gesamte Pulsenergie.
Wir definieren zusätzlich einen zeitlichen und spektralen Offset von Puls 2 gegenüber dem anderen. Das verwenden wir dann für die Definition des Amplitudenprofils A0%(t)
:
sqrt(E_s1 / tau_s_in1) * sech(1.7627 * t / tau_s_in1)
+ sqrt(E_s2 / tau_s_in2) * sech(1.7627 * (t - dt2) / tau_s_in2)
* expi(-2pi * df2 * t)
Die Zentralwellenlänge von Puls 1 basiert auf einer Eingabe im Formular, und die von Puls 2 wird etwas länger wegen des negativen Frequenz-Offsets. Die absolute Skalierung der Amplituden erfolgt im Programm automatisch, basierend auf der eingegebenen totalen Pulsenergie.
Für die Faser nehmen wir einen Modenradius von 5 μm an, eine konstante Gruppendispersion von −10 000 fs2/m und einen nichtlinearen Index von 3 · 10−24 m2 (realistisch für Silikatfasern).
Pulssimulationen
Wir starten mit gleichen Pulsdauern, somit auch gleichen Pulsenergien. Die wahrscheinlich schönste Art, die Kollision darzustellen, ist ein Farbdiagramm, das die Entwicklung der zeitlichen Profile in der Faser zeigt:
In der Tat sehen wir nun, dass die zwei Solitonen nach der Kollision völlig intakt bleiben. Es mag scheinen, als gäbe es nur eine Interferenz, aber keine echte Wechselwirkung. Das ist aber nicht so: Wie bereits erwähnt beeinflusst die Kerr-Nichtlinearität den kombinierten Puls in komplizierter Weise. Wir können nun auch die Entwicklung der optischen Phase des ersten Solitons (bei <$t = 0$>) ansehen:
Wir sehen, dass die Phase nicht nur während der Kollision etwas oszilliert, sondern sich danach mit einem Offset weiter entwickelt, der offenkundig von der Wechselwirkung der Pulse herrührt.
Die Power Form bietet übrigens nicht direkt die Anzeige dieser Phase, aber im Formular können wir dafür wiederum etwas Skriptcode eingeben:
y2: -4, +4 { second y axis }
"phase at t = 0 (rad)", @y2, color = green
f: (get_pulse(x); Phi_t(0)), yscale = 2, color = green, width = 3,
maxconnect = 1e3, "phase at t = 0 (right scale)"
Als nächstes probieren wir, was passiert, wenn das zweite Soliton die doppelte Dauer und somit nur die halbe Energie hat. Dafür modifizieren wir im Formular lediglich den Wert von tau_s_in2
und erhalten das Folgende:
Hier zeigen wir zusätzlich die Energie von Puls 1 (durch Integration des Spektrums in seinem Bereich). Das zeigt, dass es keinen Energieaustausch zwischen den Solitonen gibt.
Im nächsten Experiment nehmen wir als zweiten Puls ein Soliton zweiter Ordnung, nun wieder mit derselben ursprünglichen Pulsdauer wie Puls 1. Dafür erhöhen wir einfach die Pulsenergie um den Faktor 22 = 4. Das Resultat:
Sogar in dieser Situation behalten beide Solitonen ihre Eigenschaften. Die gestrichelte Kurve für die Energie des ersten Pulses zeigt zwar einige leichte Peaks, aber diese kommen lediglich daher, dass das Soliton zweiter Ordnung hier sehr breitbandig wird und spektral mit Puls 1 etwas überlappt. Das ist kein wirklicher Übertrag von Energie. Es ist auch wieder schön, dies im Farbdiagramm zu betrachten:
Man könnte leicht noch viele andere Experimente durchführen. Beispielsweise könnte man erkunden, was sich ändert, wenn man Dispersion höherer Ordnung, stimulierte Raman-Streuung oder Verluste in der Faser einführt.
Fazit
Die Software RP Fiber Power ist ein prima Tool für solche Arbeiten – sehr leistungsfähig und doch einfach zu bedienen!
Sie können von dieser Studie das Folgende lernen:
- Solitonen mit unterschiedlicher Wellenlänge haben in der Faser unterschiedliche Geschwindigkeiten. Deswegen können sie in einer Faser kollidieren.
- Sie erweisen sich als bemerkenswert robust; sie können solche Kollisionen in vielen Fällen überstehen, also nicht auseinanderfallen.
Weitere Artikel
Enzyklopädie:
Teilen Sie dies mit Ihrem Netzwerk:
Folgen Sie uns bei LinkedIn für unsere Updates: